Radio trifft Streaming - Podiumsdiskussion, blick vom Publikum zum Podium
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Hassliebe ohne Zukunft? Radio trifft Streaming

04. Dezember 2018, 13:01 Uhr

Beim New Music Award kommen junge Radios der ARD zusammen, um gemeinsam junge Musik zu fördern. Aber wie können Sender wie Puls und Radio Fritz in Zukunft relevant bleiben? Die Tendenz zeigt Richtung Internet.

"Wir alle sitzen hier und konkurrieren letztlich um die begrenzte Zeit unserer User." So fasst Florian Meyer-Hawranek vom BR-Jugendradio Puls die Situation an einer Stelle kurz zusammen.

Der Satz leuchtet ein, aber vor ein paar Jahren hätte er noch merkwürdig geklungen, zumindest wenn man sich ansieht, wer in der Podiumsdiskussion "Radio trifft Streaming" zum New Music Award 2018 mit dabei ist: Drei Vertreter vom öffentlichen-rechtlichen Radio, einer von Sony Music und zwei von den "neuen" Medien: Amazon und Napster.

Dahin gehen, wo die Zielgruppe ist?

Also: Wie sind aus amerikanischen Internet-Konzernen und deutschen Rundfunkprogrammen auf einmal Konkurrenten geworden? Das fasst Moderator Laury Reichart ganz am Anfang zusammen: Gerade für junge Menschen ist das Radio ein veraltetes Medium. Die Zukunft spielt sich anderswo ab – nämlich bei Spotify und anderen digitalen Anbietern.

Wenn Sender wie Puls vom BR und Radio Fritz vom RBB nun also die jungen Hörer nicht verlieren wollen, dann liegt ein Weg nahe: "Wir müssen dahin gehen, wo die Zielgruppe ist", sagt Florian Meyer-Hawranek von Puls.

Natürlich ist er sich bewusst, dass das zu einem Dilemma führt. Denn obwohl die Öffentlichkeit die Programme bereits via Rundfunkgebühren bezahlt hat, kann ein Konzern wie Spotify oder Amazon sie zum Teil ihres Geschäftsmodell machen – und damit Geld verdienen. Zudem macht man sich von den Entscheidungen der Plattformen abhängig.

Gemeinsame Plattform für alle Sender?

Die Lösung soll sein: Kein Konkurrenzdenken, sondern Zusammenarbeit. Das kommt im Gespräch immer wieder durch. Moderne Tech-Firmen bieten den öffentlich-rechtlichen Angeboten "eine Plattform und eine Zielgruppe", wie Markus Ernst von Napster zusammenfasst.

In den USA zeigt sich schon heute, wie das aussehen kann: Dort gibt es eine Partnerschaft zwischen Napster und IHeartRadio – einer Plattform, die amerikaweit Radiosender online verfügbar macht.

"Nur Hits spielen reicht nicht mehr aus"

Denn auch wenn Programme wie Puls schon viel auf Podcasts und andere digital-exklusive Formate setzen: Klassisches Radio ist noch nicht abgeschrieben – das bestätigen alle in der Runde.

Zur Konkurrenz durch Musikstreaming wie Spotify sagt Sophie Dezlhofer vom BR:

Natürlich hat Radio auch klare Vorteile gegenüber Streaming. Aber nur die Hits zu spielen und zwischendurch ein paar Witze zu machen, reicht halt nicht mehr aus.

Sophie Dezlhofer, BR

Dezlhofer weiter: "Wir müssen wieder zeigen, warum Radio super sein kann, warum es total gut ist, direkt angesprochen zu werden, warum mich das berührt, wenn da jemand mit mir spricht und nicht nur Musik abläuft."

Bundesliga-Übertragungen bei Amazon

Reibungspunkte wird es aber auch geben – schließlich geht es bei all dem auch nicht nur um Musik. Ein gutes Beispiel: Vor kurzem ist Amazon in das Geschäft der Bundesliga-Übertragungen eingestiegen – eigentlich eine ganz klassische Domäne des Radios.

Als Michael Höweler von Amazon Music das anspricht, bezeichnet er dieses neue Projekt indirekt als "Experiment". Florian Meyer-Hawranek von Puls widerspricht: Dass Fußballübertragung in Deutschland funktionieren, das wisse man ja schon seit langem, daran kann also nicht viel Experimentelles sein.

Konzern gegen Rundfunkbeitrag

Hieran zeigen sich die unterschiedlichen Perspektiven: Für das Radio in Deutschland ist Fußball schon immer ein wichtiger Teil der eigenen Identität gewesen.

Für Amazon, eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, ist es aber keine große Sache, da einfach mal ein bisschen Geld reinzustecken und den klassischen Medien Konkurrenz zu machen. Gegen die Möglichkeiten eines solchen Riesenkonzerns kommt man mit den Mitteln des Rundfunkbeitrags nicht so leicht an.

Ungewisse Zukunft

Trotzdem überwiegen versöhnliche Töne: Man will zusammenarbeiten, heißt es immer wieder, gemeinsam daran arbeiten, das beste Angebot für alle Zielgruppen zu bieten.

Deutschland ist noch ein eher traditionelles Radioland – in anderen Ländern ist der Fortschritt da schon weiter, in Norwegen zum Beispiel. Aber dort wie hier befinden wir uns in einem Wandel.

Wenn es darum geht, in zwanzig Jahren wieder sechs Menschen einzuladen, die über die Zukunft von Audio-Übertragungen sprechen sollen, sind vielleicht schon wieder ganz andere Formate und Firmen interessant als heute.

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