MDR SPUTNIK Deine Meinung – Ein Thema. Diskutiert. | Podcast Wahlpflicht & Strafen für Nichtwähler?

27. Mai 2022, 09:34 Uhr

Wählen ist Bürgerpflicht! – diesen Spruch habt ihr vielleicht schon mal gehört, aber stimmen tut er eigentlich nicht. In Deutschland dürfen Wahlberechtigte nämlich frei entscheiden, ob sie an einer politischen Wahl teilnehmen oder nicht. Aber ist das auch gut so für unsere Demokratie? Oder sollte tatsächlich eine Wahlpflicht eingeführt werden? Ja, sagt Politikwissenschaftler Stephan Haußner. In Belgien etwa gibt es schon lange eine Wahlpflicht – und Strafen, wenn man gegen sie verstößt.

Host Marvin von MDR SPUTNIK Deine Meinung. 16 min
Bildrechte: MDR SPUTNIK

Stell dir vor, du lebst in Belgien, es ist Wahl und du gehst nicht hin. Keine gute Idee! Denn hier gibt es eine Wahlpflicht. Schon seit 1893 müssen die Männer zur Wahl gehen, seit 1948 gibt es die Pflicht auch für Frauen. Gleichberechtigung, yeah. Okay, und was passiert, wenn man diese Wahlpflicht ignoriert? 

Wer einer regionalen, nationalen oder europäischen Wahl unentschuldigt fernbleibt, wird auf eine Liste gesetzt und riskiert ein Bußgeld. Beim ersten Mal 30 bis 60 Euro, beim zweiten bis 150 Euro. Danach kann sich die Strafe auf bis zu 1.000 Euro erhöhen. Wer dann innerhalb von 15 Jahren viermal nicht zur Wahl erscheint, wird für zehn Jahre aus dem Wählerverzeichnis gestrichen.

Matthias Reiche, ARD-Korrespondent in Belgien 

Belgien ist unangefochtener Europameister im Wählen! 

Fakt ist: Die Wahlbeteiligung ist in Belgien mit bis zu 90 Prozent seit Jahren super hoch und das, obwohl die Chancen, fürs Nichtwählen wirklich belangt zu werden, gar nicht so hoch stehen, da die Staatsanwaltschaften überlastet sind. 

Die Strafen klingen trotzdem ganz schön hart, oder? Wäre eine solche Wahlpflicht auch in Deutschland denkbar? Immerhin lässt die Wahlbeteiligung hier zu wünschen übrig. 23,8 Prozent der Wahlberechtigten waren bei der letzten Bundestagswahl 2017 überall – nur nicht im Wahllokal. 

Die meisten in der SPUTNIK-Community, die sich mit einer Sprachnachricht bei uns gemeldet haben, sind dagegen. Dafür gibt es aber durchaus auch kreative Alternativvorschläge, wie man die Wahlbeteiligung erhöhen könnte: 

Direkte Wahlpflicht würde ich sagen: Nein, weil jeder sollte selbst entscheiden können, ob er wählen geht oder nicht. Aber wir können uns ja ein Vorbild an den Impfungen nehmen. Wir stellen an den Wahllokalen einfach einen Bratwurststand auf und jeder der wählen geht, kriegt eine Bratwurst kostenlos!

Mehr Beteiligung durch Wahlpflicht? 

Die Sorge, dass einem mit einer Wahlpflicht die Freiheit genommen wird, klingt erst mal sehr berechtigt. Stephan Haußner bringt da aber eine ganz andere Perspektive ins Spiel. Er ist Politikwissenschaftler an der Uni Duisburg-Essen. Zu Wahlen und Wahlbeteiligung hat er bereits geforscht. Er ist also sattelfest im Thema und findet, wir sollten so eine Wahlpflicht mal ausprobieren. Warum? 

Die Wahlbeteiligung ist im Moment sozial verzerrt. Wer nicht wählt oder wer wählt, ist nicht zufällig verteilt, sondern es gibt bestimmte Gruppen in der Gesellschaft, die häufiger nicht wählen und die daraufhin so ein bisschen links liegen gelassen werden. Eine Wahlpflicht hätte zur Folge durch, meiner Meinung nach, relativ geringe Eingriffe in unsere Freiheiten, dass sich das politische System insgesamt auch wieder mit diesen Bürgerinnen und Bürgern beschäftigen müsste.

Stephan Haußner, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen 

Menschen, die ein hohes Einkommen haben und aus Protest nicht wählen gehen, gebe es zwar auch, sagt der Politikwissenschaftler, viele Nichtwählerinnen und -wähler aber hätten eher ein geringeres Einkommen, einen niedrigeren Bildungsstand, oftmals kein so starkes soziales Netzwerk und erst recht keines, welches politisch irgendwie interessiert wäre. Ganz schön clever um die Ecke gedacht, findet Marvin. 

Wir brauchen vielleicht so eine Wahlpflicht, damit die politischen Parteien auch endlich mal die Gruppen in unserer Gesellschaft ansprechen, die wenig bis null Kontakt zum politischen Geschehen haben. Denn wenn jeder irgendwas wählen muss, kümmern sich die Parteien ja quasi auch mal um neue Zielgruppen, oder?

Marvin, Deine-Meinung-Host 

Wie könnte eine solche Wahlpflicht konkret aussehen? Welche Folgen hätte das für unsere Wahlbeteiligung und für die politische Partizipation benachteiligter sozialer Gruppen? Gäbe es dann noch mehr „Protestwähler“ als jetzt schon? Das alles erfahrt ihr in der Podcastfolge – „Wahlpflicht & Strafen für Nichtwähler?“ – und in die könnt ihr euch überall dort reinklicken, wo ihr auch sonst eure Lieblingspodcasts findet –auf Spotify, in der ARD-Audiothek und Co. – garantiert ohne Hörpflicht!